Arbeitszonenmanagement: Handlungsbedarf
Das Tempo im Standortwettbewerb bleibt horrend. Wenn in- oder ausländische Top-Firmen Standorte evaluieren, so muss ein potenziell in Frage kommender Standort innert vier bis 48 Stunden offeriert werden. Firmen evaluieren danach zwischen drei bis fünf Monaten, bis sie ihren Standortentscheid treffen. Wird neu gebaut, muss das Bauvorhaben nach dem Standortentscheid innert drei Jahren realisiert werden können. Beim Bezug von Büro-, Labor- und Testflächen in Business-Centern kann die Bezugsfrist sogar deutlich darunter liegen, in der Regel von sofort bis 15 Monaten. Standorte und Nutzflächen, die nicht rechtssicher geplant oder baulich bereits realisiert sind, haben im Standortwettbewerb keine Chance.
Die Schere zwischen dem unverändert hohen Tempo des Standortwettbewerbs und der Lösungsfähigkeit von Behörden und Investoren, wettbewerbsfähige Wirtschaftsflächen zu entwickeln, hat sich in den letzten 20 Jahren massiv geöffnet. Planungsvorhaben zur Entwicklung von Arbeitszonen dauern in der Schweiz mittlerweile Jahrzehnte. Der Zeitbedarf für die Umsetzung einer kooperativen Planung zur Entwicklung eines Schlüsselstandorts hat sich seit der Jahrtausendwende verdrei- bis vervierfacht. Regulatorische, marktbedingte und politische Gründe sind dafür relevant.
Die Gründe im regulatorischen Bereich sind vielfältig und werden nachfolgend grob skizziert:
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Die Schweizer Raumplanung fusst auf den Terminologien «Gewerbe» und «Industrie» und tut sich schwer damit, mit hybriden, wissensbasierten Wirtschaftsfunktionen und Schlüsseltechnologien umzugehen, welche einerseits den Werkplatz stärken, andererseits aber völlig neue, innovative Dienstleistungen hervorbringen. Zu starre und viel zu detaillierte Nutzungsvorgaben, oft über Sondernutzungspläne geregelt (welche Einsprachen erleichtern), verhindern mehr und mehr, dass innovativste Wirtschaftsformen zeitgerecht attraktiven Raum erhalten. Eine Typologisierung von Arbeitszonen tut Not.
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Eine Dissonanz aus Raumplanung, Städtebau, Freiraumgestaltung, Erschliessung, Soziologie und Architektur durchläuft eine Fülle übernormierter qualitätssichernder Verfahren zur Erwirkung von kostspieligen, zeitintensiven Nutzungsplanungen. Aspekte der Wirtschaftsförderung spielen dabei heute keine oder nur mehr eine untergeordnete Rolle.
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Gleichzeitig stehen Arealentwicklungen weitere materielle Auflagen aus Denkmalpflege, Arbeitnehmer- und Feuerschutz, Umweltschutz oder etwa gesundheitspolizeilichen Regulierungen etc. entgegen, welche Baubewilligungs- und Betriebsbewilligungsverfahren verzögern, das Bauen für die Unternehmen verteuern und die Transformation gerade von alten Bestandesbauten hin zu flächeneffizienten und prozess-effektiven Nutzungen erschweren bzw. verhindern.
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Seitens Behörden vermisst man eine materielle wie formelle Koordination sämtlicher Verfahren. Investoren müssen ihren Bewilligungsweg zeitraubend suchen und meiden dieses Risiko mehr und mehr, da selbst bestens organisierte kooperative Planungen zunehmend scheitern.
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Vorgaben an die Erschliessung von Arealen sind primär dogmatisch geprägt und führen oft zur Fehlallokation von Verkehrsleistungen. Mobilitätspolitik erlaubt selten prospektive, experimentelle Ansätze unter Einsatz und Kombination modernster Technologien und Verkehrsträger. Damit geht der Schweiz erhebliches Innovationspotential im Flächenmanagement verloren.
Auch marktseitig haben sich in Arbeitszonen Hürden aufgebaut:
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Das neue Raumplanungsgesetz hat durch seine Beschränkung des Siedlungsgebiets durch die Verknappung des Grundflächenangebots nicht nur im Wohnbereich, sondern eben auch bei den Gewerbe- und Industrieflächen zu erheblichen Preissteigerungen beim Gut "Boden" geführt, welche den Werkplatz Schweiz fordern. Für baureife Grundstücke werden Preise bezahlt, welche viele KMU und Wirtschaftsakteure gerade des produzierenden 2. Sektors überfordern.
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Da die Verdichtung auch bei Wirtschaftsflächen kaum bzw. nur zögerlich gelingt und eine Vertikalisierung von Produktionsprozessen bei Unternehmen (noch) auf Widerstand stösst, können die teuren Bodenpreise nicht über höhere Dichten abgefangen werden. Behörden gewähren oft keine ausreichenden Gebäudehöhen oder verbieten Aufstockungen, damit eine wirtschaftlich tragbare Verdichtung gelingt.
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Konfiskatorische Mehrwertabschöpfungen gerade in den Kernstädten reduzieren die Gesamtrendite auf eigentlich bestens erschlossenen Arealen. Immobilienentwickler scheuen im Segment Wirtschaftsflächen zusätzliche Risiken. Ertragsreicheres Wohnen wie öffentliche Nutzungen werden auch deshalb favorisiert. Bei innovativen Konzepten für Wirtschaftsflächen wird gespart, leerstehende Objekte nur zögerlich mit zeitgemässen Nutzungskonzepten angereichert oder modernisiert.
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Büroleerstände bleiben nach der Pandemie (Stichwort "Homeoffice") überdurchschnittlich hoch. Die politische Diskussion um Wohnungsknappheit erhöht den Druck, nicht nur Büros, sondern auch Industrie- und Gewerbegebiete für reine Wohnentwicklungen zu öffnen. Dies verstärkt die Ausrichtung der Immobilienentwicklung auf Wohnbauprojekte, treibt aber auch die Preise für immer knappere Industrie-und Gewerbeflächen weiter an und verdrängt die produzierende Wirtschaft aus Kernstädten und Agglomerationen. Arbeiten und Wohnen driften räumlich noch mehr auseinander.
Bericht "Zukunft Arbeitszonen-management" zum Download:
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Dies führt zu den politischen Aspekten einer fehlenden Priorisierung von Arbeitszonen:
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Raum- und Verkehrsplanung sowie Wirtschaftsförderung wirken heute kontradiktorisch und ohne Symbiose. Eine saturierte Öffentlichkeit wünscht sich weniger Wachstum und ist nicht mehr bereit, der Wirtschaft den benötigten Raum zu belassen. Der unbändige Wohlstand der Schweiz der letzten Jahrzehnte erlaubte es, wirtschaftliche Interessen auf Arbeitszonen aktiv zu hemmen und einseitig ökologische wie soziale Themen zu verstärken. Die Wirtschaftsflächenpolitik – d.h. das zeitgerechte Bereitstellen attraktiver Nutzflächen – erfährt kaum mehr politisches Gewicht.
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Es fehlen Anreize und Arbeitshilfen, für welche Ziele und über welche Vorgehensweise Wirtschaftsflächen priorisiert und zeitgerecht in kooperativen Planungen unter engem Einbezug der Grundeigentümer entwickelt werden. Die Kaskade der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Grundeigentümern, kantonalen Fachstellen (v.a. Raumplanung und Wirtschaftsförderung) sowie dem Bund (SECO, ARE) zur Stärkung von Arbeitszonen gelingt zwar in Einzelfällen, nimmt jedoch nicht in der Breite Fahrt auf.
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Es fehlen Anreize für wirtschaftliche Akteure bzw. Grundeigentümer, dass mit einer Festsetzung als Vorranggebiet tatsächlich auch greifbare, effektive Vorteile entstehen. Eine Bezeichnung als Vorranggebiet schützt heute nicht davor, dass andere (ökologische, soziale, kulturelle etc.) Rechtsbereiche ohne rechtliche und politische Güterabwägung ungefiltert auf ein Areal wirken.
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Vermehrte Konflikte im globalen Kontext, die wirtschaftliche Stagnation aufgrund einer exzessiven Deindustrialisierung im EU-Raum (v.a. Deutschland) sowie das Kräftemessen der Grossmächte im wirtschaftspolitischen, technologischen und militärischen Bereich werden die Schweiz wie Europa in den kommenden Jahren massiv fordern. Es fehlt aber an einer Diskussion, wie resiliente Arbeitszonen einen Beitrag an die wirtschaftliche und soziale Sicherheit sowie die Versorgungslage unseres Landes leisten.
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Es fehlen Instrumente zur Wirtschaftsflächenförderung – wie etwa bei der Wohnbauförderung – welche der Wirtschaft in Zukunft ein bezahlbares, innovatives und attraktives Raumangebot ermöglichen.
Die Schweiz ist in Bezug auf ihre räumliche Wettbewerbsfähigkeit als Unternehmensstandort nicht mehr kompetitiv. Produzierende Wirtschaft und Gewerbe weichen ins Umland und an die Peripherie aus (oder verlagern Prozesse ins Ausland). Arbeiten und Wohnen driften so immer weiter auseinander. Pendlerströme zwischen Peripherie und Zentren geraten aus der Balance. Die Raumplanung verpasst ihren Auftrag, eine ausgewogene Siedlungs- und Mobilitätsentwicklung zu gestalten, wo Wohnen wie Arbeiten im Gleichklang entwickelt werden. Die Raumordnung muss wieder als ein strategisches Instrument zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz beitragen.
Das Diskussionspapier "Zukunft Arbeitszonenmanagement" zeigt auf, welche Flächenbedürfnissen der Wirtschaft in Zukunft adressiert werden müssen und macht Vorschläge, welche Instrumente dafür neu geschaffen oder ausgebaut werden sollen.